Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2015 die Erhebung der sogenannten "Altanschließerbeiträge" für verfassungswidrig erklärt hatte, griffen die Gemeinden und Zweckverbände zu dem Trick, die nicht mehr durchsetzbaren Beiträge bei den laufenden Gebühren wieder reinzuholen. Damit wurden über die Betriebskosten auch die Mieter belastet.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2023 – 9 CN 3.22 – dürften so ziemlich alle Schmutz- und Abwassergebührensatzungen im Land Brandenburg, wenn nicht sogar bundesweit rechtswidrig sein. Das wollen aber die Gemeinden und Verbände noch nicht so richtig einsehen.
Die Entscheidung des BVerwG geht weit über den Unterfall „gesplitteter“ Gebühren oder den in Brandenburg bestehenden Vertrauensschutz aufgrund hypothetischer Verjährung hinaus.
Sie betrifft alle Träger der Abwasseranlagen und Trinkwasseranlagen, die parallel zu den laufenden Abwassergebühren oder Entgelten einmalige Herstellungsbeiträge erhoben hatten. Dabei ist die auf dem Vertrauensschutz basierende sogenannte hypothetische Festsetzungsverjährung der Beiträge nach dem Beschluss des BVerfG vom 12.11.2015 – 1 BvR 3051/14- wiederum nur ein Unterfall des Verhältnisses von Beitrag und Gebühr.
Die Zurückverweisung der Sache an das OVG Berlin- Brandenburg wird wegen der inneren Bindungswirkung des Urteils hinsichtlich der die Entscheidung tragenden Gründe zu keiner anderen Entscheidung des OVG führen. Lediglich hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen zur hypothetischen Verjährung im dort zu entscheidenden Einzelfall könnten sich noch Änderungen ergeben, aber nicht hinsichtlich der grundsätzlichen Rechtslage.
I. Grundsatz:
Das BVerwG stellt den Grundsatz auf, dass bereits mit der Entscheidung für eine Beitragserhebung eines Teils der Herstellungskosten für eine Abwasser- oder Trinkwasseranlage die Legitimation weggefallen ist, diesen Teil über kalkulatorische Abschreibungen nach § 6 KAG Bbg zu finanzieren (Rn. 30 juris).
Das gilt unabhängig davon, ob die Beiträge bereits bezahlt wurden oder nicht. (Rn. 22 und 30 juris). Anderenfalls würde das Verbot der Doppelbelastung verletzt.
Das bedeutet: Sofort mit der Entscheidung zur Beitragserhebung (Beitragssatzung, z.B. wirksam ab 1.1.2009) muss so getan werden, als wären die gewollten Beiträge (Beitragssatz mal Summe der Maßstabseinheiten (m²) = Beitragsquote) auch tatsächlich eingenommen worden. Das reduziert sofort die Abschreibungen in den Gebühren/ Entgelten, weil sich die Abschreibungsbasis um die Summe der gewollten Beiträge und nicht nur um die tatsächlich gezahlten Beiträge reduziert. Da bleibt meistens nicht mehr viel übrig, was über die Entgelte bzw. Gebühren einzunehmen war. Die Anlagenträger haben immer nur die tatsächlich eingenommenen Beiträge bei den Gebühren/ Entgelten berücksichtigt. Damit dürften sämtliche Gebührenkalkulationen bereits dem Grunde nach methodisch fehlerhaft sein. Damit ist es mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu Gebührenüberhebungen im Umfang mehrerer 10 Mio € gekommen - allein wegen Verletzung des Doppelerhebungsverbotes. Insoweit haben sich die Verfassungsverletzungen auch spürbar ausgewirkt.
II. Hinzu kommt der Unterfall:
Im Falle der hypothetischen Verjährung der Beitragsforderungen dürfen die dauerhaft nicht mehr durchsetzbaren Herstellungskosten nicht erneut über die Gebühren erhoben werden. Das verstößt gegen den Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes. Der Vertrauensschutz in den verjährten Quotenanteil der Beiträge wirkt fort und kann nicht mehr beseitigt werden. Der verfassungsmäßige Vertrauensschutz wird durch den Versuch, die hypothetisch verjährten Herstellungskosten nunmehr über die Gebühren doch noch hereinzuholen, verletzt.
III. Unterfall des Unterfalls - „gesplittete“ Gebühren:
Einige Anlagenträger hatten zur vermeintlichen Gleichbehandlung von Beitragszahlern und Nicht- Beitragszahlern gespaltene Gebührensätze eingeführt und dabei auch noch den o.g. Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verbot der Doppelbelastung verletzt. Andere sind den anderen Weg gegangen und haben die Gleichbehandlung über die Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide und Rückzahlung der Beiträge gewählt. Daran sind sie gebunden (Selbstbindung).  Der Teil der BVerwG- Entscheidung zur Unzulässigkeit der gesplitteten Gebühren berührt diese Anlagenträger nicht. Die Gebührensatzungen sind bereits nach den o.g. entschiedenen Grundsätzen unter I. und II. verfassungswidrig,, egal ob gesplittete Gebühren oder einheitliche Gebühren erhoben werden.
Unbeschadet der möglichen fiskalischen Folgen widerspricht es dem Rechtsstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz, an den recht- und verfassungswidrigen Satzungen festzuhalten. Überdeckungen sind mit der folgenden Gebührenerhebung auszugleichen.








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Frank Mittag

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